03Juni
2020

Wenn die Sonne nicht mehr untergeht

Das Wiedersehen mit Silja und Doddi war total schön. Fast bisschen wie nach Hause kommen! Ich war ja auch nur 3 Wochen weg, aber es fühlte sich sooo viel länger an, weil in der eigentlich kurzen Zeit einfach unfassbar viel passiert war bei mir!

Ende Mai kam ja Melissa, die ich beim trampen kennengelernt hatte, zu mir in die Westfjorde und wir sind zusammen ein paar Tage gereist. Und da wollten wir ja eine Wanderung machen vom Strand Raudasandur zu den Vogelfelsen/Klippen Látrabjarb. Das hatte letztendlich nicht so ganz funktioniert, wie wir uns das vorgestellt hatten und hatten stattdessen ein kleines Abenteuer erlebt, wie ich ja schon in einem Blogeintrag erzählt habe. Aber seitdem ging das nicht aus meinem Kopf raus, dass ich diese Wanderung noch mal machen wollte, und zwar bis zum Látrabjarg! Und genau das hatte ich jetzt vor. Das gute war, dass ich danach ja wieder zu Silja und Doddi konnte und somit sehr viel Gepäck bei ihnen lassen konnte und nur das Notwendigste für zwei Tage mitnehmen musste. Ach, war das herrlich so ein leichter Rucksack (für meine Verhältnisse zumindest)!

Mit dem Trampen klappte alles wie am Schnürchen, sodass ich schon um 11Uhr die Wanderung am Raudasandur starten konnte. Ich begegnete auch wieder diesem lieben alten Isländer Gunnar (der Melissa und mich das letzte Mal zum Kaffee eingeladen hatte), das war echt schön.

Vom Sommerhaus ging ich diesmal den nur schwer erkennbaren Pfad den Berg rauf, den wir das letzte Mal nicht gefunden hatten und falsch gegangen waren.  
Die Wanderung klappte super und war wunderschön. Geile Blicke und tolle Natur. Außerdem wolkenloser Himmel und Sonnenschein!
Erst Abends kam ich dann erschöpft am Látrabjarg an. Mit der Abendsonne herrschte eine wunderbare Atmosphäre. Und dieses Mal bekam ich sogar ganz viele Puffins (diese Vögel) zu Gesicht! 

Dort in der Nähe gibt es einen „Campingplatz“, also einfach eine Fläche, wo man mit dem Zelt und auch Auto stehen darf, es gibt ein Plumsklo, aber sonst nichts (auch kein Wasser oder so und auch keinen Fluss in der Nähe), daher ist das auch kostenlos. Da kam ich schließlich sehr erschöpft um halb 10 an.

Um Mitternacht bin ich aber noch mal raus, denn ich wollte ja die Mitternachtssonne sehen! Es war zwar der 20.Juni, also ein Tag vor der Sommersonnenwende, aber am 21. Juni war Regen angesagt, deswegen tat ich einfach so, als wäre es bereits die Sommersonnenwende. Es war der Hammer! Gaaaanz langsam kam die Sonne dem Horizont immer ein Stückchen näher, während der Himmel in die schönsten Rot-lila-orange-gold Töne getaucht wurde und auch die Berge um mich in dieses warme Licht gehüllt wurden. Und dabei zeigte die Uhrzeit halb 1 in der Nacht! Die Atmosphäre fühlte sich schon fast surreal an. Ich hatte das Gefühl, als ob die Sonne gar nicht mehr untergehen würde, aber irgendwann war sie dann doch schließlich verschwunden, nur um bereits ein paar Stunden später wieder aufzutauchen.

MitternachtssonneMitternachtssonneMitternachtssonneSchatten! mitten in der Nacht!

In der Früh um 6 wurde ich von der Zeltstange geweckt, die auf mein Gesicht gepresst wurde – vom Wind. Deshalb blieb ich auch nicht viel länger, sondern machte mich wieder auf zu Silja und Dotti.

zum Glück habe ich ein windfestes Zelt!

Am nächsten Tag fand die Taufe von Dottis Nichte statt und dort gingen wir vier dann zusammen hin (Silja, Dotti, Susanna – eine andere „workawayerin“ – und ich). Mit Silja zusammen kreierte ich eine Braudterta, wörtlich eine „Brot-Torte“. Das ist eine sehr beliebte Speise zum Mitbringen für Buffets in Island, zumindest von dem, was ich mitbekommen habe (auch bei Dagnys Familie und Co.). In Island ist es typisch, dass die Eltern den Namen des Kindes bis zur Taufe niemandem verraten (die war in diesem Fall zwei Monate nach der Geburt), nicht mal die anderen Kinder des Paares wussten den Namen. An der Taufe verrieten die Eltern dann den Geschwistern den Namen und sie durften ihn dann der Gemeinde verkünden und anschließend wurde das Kind getauft. Fand ich echt interessant!

Braudterta

Ich wollte noch eine andere Wanderung in den Westfjorden machen und nutzte nochmal den Vorteil, dass ich Gepäck bei Silja und Dotti lagern konnte. Mit „leichtem“ Rucksack machte ich mich also auf nach Kirkjuból – mit dem Trampen klappte alles eigentlich ganz gut. Ich wanderte durch das Tal und merkte irgendwann, dass es zu spät werden würde, den Berg am Ende des Tals noch zu besteigen. Aber das machte nichts, ich lief dann einfach bis zum Ende des Tals, dort war absolut nichts und niemand, aber eine solide Wiese – ein Traum fürs Wildcampen. Am nächsten Tag trampte ich noch weiter nach Isafjördur, weil ich es dort so schön fand. Ich campte wieder an der Stelle, wo ich schon mit Melissa ein paar Wochen zuvor gecampt hatte. Dann gings auch schon wieder zurück zu Silja und Dotti, aber nur noch für eine Nacht.

Danach hieß es endgültig Adios sagen…vorerst. Ich will unbedingt mal im September die beiden besuchen, um dabei zu sein, wenn es darum geht, die ganzen Schafe wieder von den Bergen einzusammeln.

An letzem Abend war Dotti ungewöhnlich gesprächig. Er erzählte, dass an dem Ort, wo ich gecampt hatte um die Mitternachtssonne zu sehen, früher ein Fischerhafen war. Sein Großvater hatte dort als Jugendlicher im Sommer als Fischer mitgeholfen. Außerdem gibt es dort wohl ein paar spezielle Steine, die zwischen 100 und 300 kg wiegen. Schon früher hat man mit diesen Steinbrocken ein Kräftemessen veranstaltet, wer welches Gewicht heben kann etc. Doddi schaffte früher den 3.-schwersten Stein von 5 Leveln! (Ich bin mir gerade nicht mehr sicher, ob ich die Gewichtsangaben richtig verstanden hatte…das wirkt so viel!) Momentan gibt es wohl nur zwei Männer, die den schwersten Stein heben können und einer davon ist Dottis Bruder! Dotti hat uns dann noch ein paar Fotoalben von damals gezeigt, das fand ich richtig schön.

Silja, Doddi und ichmit Silja die Umgebung erkundet

Leonie